Anekdoteles,

Wer definiert, was chronistisch ist und was nicht? Nach der Logik wäre es auch illiberal, wenn in den 50er Jahren jemand das Ende der Verfolgung Homosexueller gefordert hat, weil es ja nicht im Zeitgeist war.

Avantgardistisch fällt nicht unter anachronistisch und ich denke, die allermeisten Leser haben das auch so verstanden, dass “von gestern” gemeint war und nicht “zum Zeitgeist unpassend”. Zumal auch der Zeitgeist und das Moralverständnis der Mehrheitsgesellschaft anachronistisch sein kann: Da fallen mir spontan natürlich wieder “der Traum vom Eigenheim” und das Auto ein.

Zum Rest muss ich dir auch stark widersprechen. Du wirst nicht finanziell “bestraft”.

Doch und zwar ganz eindeutig! Wenn du Gutverdiener bist und mit einer Geringverdienerin versehentlich ein Kind zeugst, wirst du dafür bestraft, wenn du dann nicht mit ihr zusammenziehst und sie heiratest. Wenn du als Geringverdiener mit einer Gutverdienerin in einer intensiven, stabilen Lebensgemeinschaft unter einem Dach lebst und ihr euch dafür entscheidet, ein Kind zu zeugen, werdet ihr ab der Geburt des Kindes dafür bestraft, wenn ihr euch nicht den Rechten und Pflichten einer traditionellen Ehe unterwerfen wollt. Die Opportunitätskosten, die euch der Staat in diesen Fällen aufbürdet, sind Strafzahlungen dafür, dass ihr nicht nach seinen Vorstellungen lebt - und die sind nunmal reaktionär.

Das Ehegattensplitting wirkt nur bei deutlich unterschiedlichen Gehälter, wo zu Recht die Vermutung naheliegt, dass einer der Partner mehr Carearbeit leistet

Und da liegt doch der Hase im Pfeffer begraben: Sollte das so sein, dass einer der Partner mehr Carearbeit leistet? Das Ehegattensplitting fördert es und dem liegt ein anachronistisches Werturteil zu Grunde, das heute so selten geworden ist, dass man es schon als exotisch bezeichnen könnte. Ein Incentive für eine moderne Familie, würde Paare bestrafen, wenn sie ungleiche Anteile an Erziehung, Erwerb und Haushalt haben bzw. eben belohnen, wenn sie sich die Arbeiten fair und auf Augenhöhe aufteilen würden. Partnerschaft statt Patriarchat eben.

Daraus aber zu machen, dass du ja benachteiligt wärst, weil du die damit verbundenen Rechte nicht genießen kannst

Die Formalisierung gegenseitiger Verantwortung liegt in der Natur der Ehe und ist das, was sie heute ausmacht. Das Ehegattensplitting dagegen gehört da definitiv nicht dazu, sondern soll nur dorthin lenken. Deswegen ist es auch falsch, dass du mir das unterstellst:

Daraus aber zu machen, dass du ja benachteiligt wärst, weil du die damit verbundenen Rechte nicht genießen kannst, ist “Wasch mich, aber mach mich nicht nass.”

Passender wäre doch: Mach nicht alle nass, nur weil sich ein paar waschen wollen.

Und stellen wir mal die umgekehrte Frage, was wäre, wenn für Partnerschaften die gleichen Regeln gelten würden wie für Ehen?

Ne, die Frage bauchen wir nicht stellen, weil sie wie gesagt überhaupt keinen Sinn macht. Die juristischen Rechte und Pflichten, die mit der Institution Ehe kommen, müssen getrennt von den Anreizen betrachtet werden, die zur Förderung derselben gelten. Du hast außerdem das Thema völlig aus den Augen verloren. Es geht hier darum, ob wir ungleiche Ehen allen anderen formen des partnerschaftlichen Zusammenlebens gegenüber fördern sollten und zwar auch gegenüber egalitären Ehen und nicht, ob Ehen generell ein besseres Konzept sind als irgendwelche Situationships.

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