Gerade durch die um 1900 um sich greifende Idee einer psychischen Unfähigkeit der Frau werden Komponistinnen tiefgreifender eingeschränkt, als je zuvor. Gegen Verdikte, die nur auf das Einhalten sozialer Normen zielen, lässt sich noch verstoßen. Anders ist das, wenn mentale Bedingungen postuliert werden, die Frauen einfach aus dem Feld schlagen! Eine Frau kann Musik studieren, steht jedoch generell das Potenzial zur künstlerischen Kreativität in Frage, wird jeder Mißerfolg, jede schlechte Kritik Selbstzweifel nähren.
Das nennt Rebecca Grotjahn das Komponistinnen-Paradox: Abweichungen von der Norm sind zwar möglich, werden dann aber für „Unweiblich“ erklärt. Entweder sind die Werke der Komponistin schlecht und mittelmäßig, dann sind sie nach Meinung der misogynen Autoren „weiblich“. Oder sie sind gut - dann sind sie eben „männlich“.