Extremwetter: Hitze? Reden wir über Big Oil! German

An Land, im Ozean, in der Antarktis: 2023 reißt vielfach Klimarekorde. Und die Extremisten der fossilen Industrie machen weiter wie bisher – mit gigantischen Gewinnen.

So weit hat die Menschheit es also kommen lassen! Die sieben heißesten Tage, die für die Welt je gemessen wurden, lagen alle in diesem Juli – und der Monat ist noch lange nicht vorbei. Am Wochenende erwarten unter anderem die USA und Südeuropa extreme Hitzewellen. In Algerien wurde die heißeste jemals gemessene Nacht aufgezeichnet – mit einem Minimum (!) von 39,6 Grad Celsius. Damit nicht genug: Wer eine Strichliste einzelner Extremwetter-Meldungen führt, braucht viel Papier. Es mutet an wie ein einziges Stakkato der Rekorde.

Und, schlimmer noch, es fügt sich ein ins Bild der ersten Jahreshälfte 2023:

[…]

Deshalb müssen wir im Angesicht immer neuer meteorologischer Extreme endlich über die Extremisten reden. Diesen Begriff finden Sie zu krass? Gut, dann sagen wir halt “gefährliche Radikale”. Diese Worte benutzte im vergangenen Jahr niemand geringeres als der Uno-Generalsekretär. António Guterres kritisierte damals steigende Fördermengen und neue Investitionen in fossile Energien:

[…]

Erinnert sich jemand an den März 2018, als Arnold Schwarzenegger angekündigt hatte, Ölkonzerne vor Gericht bringen zu wollen, weil sie “wissentlich überall auf der Welt Menschen töten”? Dieser Terminator-haften Ankündigung folgte bislang nichts Öffentlichkeitswirksames. Aber inzwischen prüfen Rechtsgelehrte tatsächlich, wie man Big Oil nicht nur für die Schäden, sondern auch für die Toten der Klimakrise vor Gericht bringen könnte. Etwa Donald Braman von der George Washington University, der kürzlich in der Fachzeitschrift Harvard Environmental Law Review argumentierte, dass Ölfirmen sich wegen Tötungsdelikten verantworten sollten.

Die Fossil-Industrie so als Täterin zu benennen, passt zu zwei Arten von Zahlen, die viel mehr Aufmerksamkeit verdienen als jedes Wetterextrem – und die eigentlich weltweit Wut hervorrufen müssten. Es sind Zahlen zu Tun und Lassen der Öl- und Gaskonzerne.

[…]

Wir sprechen hier von jener Branche, die als erste eine genaue Vorstellung von den Folgen der massenhaften Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entwickelt hatte. So wusste Exxon mindestens seit 1977 Bescheid, wie Wissenschaftler zu Jahresbeginn in Science nachzeichneten (Supran et al., 2023). Bloß hielten die Konzerne ihre internen Klimaprognosen lieber unter Verschluss. Und heute machen sie weiter, als gäbe es kein Morgen. Oder, wie António Guterres es ihnen vorrechnet: “Für jeden Dollar, den die Fossilindustrie im vergangenen Jahr für Ausbeutung und Erschließung ausgab, flossen nur vier Cents in saubere Energie und CO2-Abscheidung.”

Da ist es eine bittere Pointe, dass der nächste Klimagipfel, ausgerechnet im Öl-Emirat Dubai stattfindet, geleitet vom Manager eines staatlichen Ölkonzerns – Ende 2023, dem Jahr der Wetter-Extreme und des Klima-Extremismus.

vanZuider,

Und dann? Wie ist dem Klima konkret geholfen, wenn man alle Ölmanager wegen Massenmordes verurteilt und einsperrt? Dass die Ölfirmen sofort alle Tätigkeiten einsperren, weil das rechtliche Risiko für ihre Manager zu groß geworden ist, will ja auch keiner; selbst die ambitioniertesten Ausstiegspläne sehen einen graduellen Ausstieg aus den fossilen Energien vor, weil unsere ganze Wirtschaft viel zu abhängig davon ist. Und dass die Maßnahmen, die für einen möglichst schnellen Ausstieg notwendig sind, nicht ergriffen werden, liegt in meinen Augen nicht nur am Lobbying der Ölindustrie, sondern auch an all den Konsumenten, die weiterhin billig heizen, Autofahren, in den Urlaub fliegen wollen, und die man in einer Demokratie, wo der Konsument gleichzeitig Bürger ist, halt nicht einfach ignorieren kann.

Dum,

Was wäre dir denn lieber, weitermachen wie bisher? Ich denke wir müssen radikal das Ruder herumreißen, das Verhältnis der Investitionen umkehren, nämlich viel mehr in erneuerbare zu investieren als in fossile. Das kostet erstmal viel Geld aber halt “jetzt” immer noch billiger als “irgendwann später”. Außerdem glaube ich dass es tatsächlich auch in reinen Energie kosten auf Dauer billiger ist. Na gut, dann geh ich eben noch auf deine eigentliche Aussage ein: ja, jemand der rausfindet dass er Menschen tötet und es geheim hält gehört vor Gericht. Vor Gericht heißt nicht “an die Wand gestellt”. Aber “involuntary manslaughter” ist halt weniger hart (oder gar nicht) bestraft als wissentlich weiter Menschen töten.

vanZuider,

Ich denke wir müssen radikal das Ruder herumreißen, das Verhältnis der Investitionen umkehren, nämlich viel mehr in erneuerbare zu investieren als in fossile. Das kostet erstmal viel Geld aber halt “jetzt” immer noch billiger als “irgendwann später”.

Ja, das hat aber alles nichts damit zu tun, die Ölindustrie für ihre Verfehlungen zu bestrafen. Und das Hindernis dafür ist eben auch nicht die Ölindustrie, sondern all die Leute, die die Produkte der Ölindustrie kaufen wollen und die sich wehren, wenn man sie jetzt in ihrem Konsum einschränkt, und die offenbar nicht ausreichend überzeugt sind, dass diese Einschränkungen notwendig sind, um viel einschneidendere Einschränkungen in der Zukunft zu vermeiden.

ja, jemand der rausfindet dass er Menschen tötet und es geheim hält gehört vor Gericht.

OK, es geht also rein um die Befriedigung des Gerechtigkeitsempfindens, nicht um einen konkreten Nutzen für den Klimaschutz.

Dum,

Naja dass der arme Drogendealer nur den Markt bedient finde ich eine sehr schwache Entschuldigung für die Ölindustrie. Dass die Leute gerne Energieintensive Sachen machen (Auto fahren, fliegen, Klimaanlage etc etc), und das am liebsten zum günstigsten Preis, ist nicht überraschend. Da muss halt der Gesetzgeber einspringen

OK, es geht also rein um die Befriedigung des Gerechtigkeitsempfindens, nicht um einen konkreten Nutzen für den Klimaschutz.

Ei horschema, dass ein Mörder bestraft wird ist einerseits natürlich auch um das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft als ganzes zu befriedigen, aber natürlich auch als Abschreckung für den nächsten (oder dieselben). Ich find’s gut dass VW so richtig empfindlich bestraft wurde als sie Betrugsdiesel verkauft haben, und dass sogar Manager persönlich haftbar gemacht wurden. Wenn du da mit “na gut, machen wir nie wieder, ehrlich” zufrieden gewesen wärst, von mir aus, ich glaube es braucht schon auch einfach strafen die höher sind als der Gewinn und persönliche Haftung.

vanZuider, (edited )

Dass die Leute gerne Energieintensive Sachen machen (Auto fahren, fliegen, Klimaanlage etc etc), und das am liebsten zum günstigsten Preis, ist nicht überraschend. Da muss halt der Gesetzgeber einspringen

“Der Gesetzgeber” kann in einer Demokratie aber nicht allzu krass gegen den Willen der Mehrheit agieren. Das ist ja das Problem: Abstrakt hast du in Umfragen schon eine Mehrheit “für mehr Klimaschutz”, aber sobald es an konkrete Maßnahmen geht, durch die sie konkret eingeschränkt würden, sind die Leute dagegen. Und dagegen hilft es auch nicht, wenn die Ölindustrie bestraft wird.

aber natürlich auch als Abschreckung für den nächsten (oder dieselben).

Das finde ich gerade bei diesem Thema halt schwierig, weil die Situation so speziell ist, dass sich wohl niemand in der Zukunft damit vergleichen wird und dadurch abgeschreckt werden kann. VW war ja wirklich die Machenschaft einiger Weniger, hat klar gegen die geltenden Gesetze verstoßen, und die Käufer fühlten sich zu Recht betrogen. Aber dass wir Öl verbrennen, weil Wirtschaftswachstum wichtiger ist als Klimaschutz, das war eine Entscheidung, die wir (bzw die Generationen vor uns) alle gemeinsam getroffen haben. Das fühlt sich für mich halt so an, als hätten wir alle zusammen die große Wirtschaftswachstums-Party gefeiert und wenn dann die Rechnung kommt, zeigen alle auf den Ölbaron und sagen “der wars; der hat uns angestiftet”. Wer soll sich dadurch abgeschreckt fühlen? Alle, die etwas tun, was als derart wirtschaftlich essentiell angesehen wird wie die Ölförderung in den 70ern? Ich bin sicher, irgendetwas, das uns heute ganz selbstverständlich und richtig erscheint, werden die Menschen in 50 Jahren abscheulich und verurteilenswert finden; ich möchte nur keine Wette darauf abschließen, was genau es ist.

EDIT:

dass der arme Drogendealer nur den Markt bedient

Die Ölindustrie war in meinen Augen eben nicht der Drogendealer, bei dem man verschämt einkauft und öffentlich Empörung heuchelt, sondern der Kneipenwirt; einer der geachtetsten Männer im Dorf, bei dem alle gerne ein Feierabendbier trinken gegangen sind. Jetzt hat sich die gesellschaftliche Stimmung gedreht, die Prohibition wird eingeführt, die Kneipe wird geschlossen - aber ist es wirklich notwendig, dass das Dorf nun einen Schauprozess gegen den Wirt anstrengt, weil er “uns alle über Jahre hinweg vergiftet hat”?

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